Buurtzorg Lüneburg

Das Buurtzorg Team im September 2021

Seit dem 1. September 2021 gibt es in der Hansestadt Lüneburg ein Buurtzorg-Pflegeteam. Es wird durch die deutsche Buurtzorg-Zentrale in Münster unterstützt – eines der ersten in Niedersachsen, nach Leer und Norderney, neben der Neugründung in Walsrode. Wir werden immer wieder über die Pioniere in Lüneburg berichten.

 

Vier, die ihre Ideale leben wollen.  

Von Links: Martin Gardemann, Mariken Hell, Sarah Warncke, Claudia Lenke (Foto Ulla Lachauer)

Etwas Neues wagen! Zu wenig Zeit für Pflege, Bürokratie und Hierarchie, davon hatten sie genug, das wollten sie endlich hinter sich lassen. Während des Lockdowns haben sich die Vier zusammengefunden und beschlossen, in Lüneburg West ein Buurtzorg-Team nach niederländischem Vorbild zu gründen. Mariken Hell und Martin Gardemann, Claudia Lenke und Sarah Warncke erzählen, wie es dazu gekommen ist und was sie vorhaben.

Aufbruch – hier und jetzt!  

Die Geschichte erinnert ein wenig an die der Bremer Stadtmusikanten, die ihrem elenden Leben entflohen, einer nach dem anderen, zuerst der Esel, dann der Hund, die Katze, der Hahn… Zu viert begaben sie sich auf Wanderschaft, waren fortan stark und vergnügt.

Es begann im Januar 2019, als Mariken Hell die kleine Anzeige in der Lüneburger Zeitung las: „Pflegeleitungskraft sucht neuen Wirkungskreis.“ Auch sie wollte schon lange etwas Neues beginnen. Als Krankenschwester in leitender Position war sie unzufrieden mit dem System und mit sich selbst. „Die Leitung denkt sich Lösungen aus“, erzählt sie, „und diese werden nach unten weitergereicht. Die Pflegekräfte bleiben passiv und werden immer passiver.“

Mariken Hell, gebürtige Niederländerin

Aus ihrer niederländischen Heimat kannte sie das Buurtzorg-Modell, ihr Vater war in seinen letzten Jahren „auf diese einfache und selbstverständliche Art“ versorgt worden. Besonders gefiel ihr der Gedanke des kleinen Pflegeteams, das selbständig und gleichberechtigt arbeitet. „Pflegekräfte sind Experten im Finden praktischer Lösungen“, so ein Leitsatz der Pflegers Jos de Blok, der Buurtzorg erfunden hat. „Und es ist wichtig, sie nicht dabei zu stören.“

Davon träumte sie, und so wählte sie im Januar 2019 die Nummer, die unter der Anzeige stand. Es war Martin Gardemann, den sie schon flüchtig kannte. Sie trafen sich, tauschten Erfahrungen aus, Mariken Hell erzählte von Buurtzorg, und Martin Gardemann fing Feuer.

Martin Gardemann

In seinem Berufsleben hatte er Vieles angepackt und erreicht: Lehramt studiert, er war Marktmanager für einen Bio-Hof, Koch und Restaurantchef. 2005, nach der Geburt seiner Tochter, Innehalten, zur selben Zeit starb seine Großmutter. Daraus entstand der Gedanke, sich zur Pflegefachkraft umschulen zu lassen.

Nach der Zusatzausbildung zur PDL (Pflegedienstleitung) war ihm wichtig, nicht nur im Büro zu arbeiten, sondern weiterhin „am Menschen“.  Ambulante Pflege war seine Leidenschaft, doch Hetze, zeitaufwändiges Management, Anordnen von oben herab, das ihm zuwider war, fraßen seine Energie und machten ihn zornig.

An der Buurtzorg-Idee faszinierte ihn am meisten die Rolle, die sie der Freundlichkeit zuschrieb. Seine Mutter, erzählt er, „hat immer zu uns fünf Kindern gesagt: Bleibt freundlich, dann kommt ihr besser durchs Leben.“

Claudia Lenke

Als Dritte kam Claudia Lenke dazu. Aufgewachsen in der DDR, in Thandorf, an der deutsch-deutschen Grenze. Schon als Kind war ihr das Thema Pflege vertraut: Mit ihrer Mutter, damals Gemeindeschwester, fuhr sie über Land, auf der „Schwalbe“, dem damals üblichen Kleinkraftrad, Alte und Kranke zu besuchen. Verbände, Spritzen, Medikamente, all das kannte sie, darauf kam sie später zurück. Als sie nach der Wende in ihrem Beruf als Umweltschutztechnische Assistentin keine Stelle fand, machte sie die Ausbildung zur Altenpflegerin. Sie arbeitete auf Station, wurde Wohnbereichsleiterin, blieb aus Mitleid oft länger ohne Bezahlung. „Die Alten siechen dahin, werden nur aufbewahrt.“ Krank vor Stress machte sie eigene Projekte. Einer ihrer Träume: Ein altes Friesenhaus zu einer Wohnpflege-WG umbauen. Per Zufall ist sie auf Buurtzorg gestoßen und ist seit Januar 2021 dabei.

Sarah Warncke

Auch Sara Warnke wünschte sich dringend Veränderung. Als Krankenschwester hatte sie in einigen Krankenhäusern gearbeitet, davon ein Jahr in Schweden, in einer Stroke Unit. Eine wunderbare Erfahrung, zum Beispiel besuchten Ärzte und Schwestern die Genesenden Zuhause, halfen ihnen bei der Rückkehr in den Alltag. Als Schwester war sie viel selbständiger, genau das wollte sie. Nach der Geburt des ersten Kindes ging sie mit ihrem Mann nach Deutschland zurück, bekam zwei weitere Kinder. Ein Leben im Spagat, zwischen Muttersein und Beruf, eine Weile war sie Palliativkrankenschwester im Hospiz. Dreischichtbetrieb, auf Dauer mit Familie unvereinbar.

Nach einem Intermezzo in einer Firma für ambulante Pflege, wo es offenbar nur um Rendite ging, las sie in der Lüneburger Landeszeitung einen Artikel über Buurtzorg.

Los geht’s!

In den lähmenden Monaten des Lockdowns kam in Lüneburg das niederländische Modell ins Gespräch. Rückenwind für die Vier, die dabei waren, sich zu finden. Für ihre Treffen überließ ihnen die Diakonie einen Raum, die AG „LuStiQ“ trommelte – nun ist es soweit. Ein Abenteuer! Eine gewisse Sicherheit gibt ihnen die Buurtzog-Zentrale in Münster: Sie sind dort angestellt, haben ein kleines Dienst-Auto, eine Woche lang unterstützt sie ein Coach. Wie sie die Arbeit gestalten, ist ganz und gar ihre Sache. Ab 1. September bieten sie im Nordwesten Lüneburgs (Kreideberg, Volgershall und Reppenstedt) ambulante Dienste an. Soweit möglich, werden sie ihre Touren mit dem Fahrrad zurücklegen. Zeit für die Patient:innen haben – ein großer Anspruch. Es wird dabei jede Menge Hindernisse geben, und immer neue Lösungen, die sie selber finden.

Wer sich fürs Mitmachen interessiert und wer pflegerische und soziale Unterstützung braucht: lueneburg@buurtzorg-deutschland.de , Tel.: 0170-171 88 84